CVC Report Trend 2: Ringfencing
Januar 2024
Fee Gunkel
Erfolgreiche CVCs verfügen über ein dediziertes Investment Budget
Wer investiert, möchte Gewinn erwirtschaften. Eine sichere Niete wird kein externes Kapital, kein Know-How und keine Zeit von Investoren gewinnen. Denn mit einer Ausfall-Garantie investiert in der Start-up Szene niemand. Das gilt sowohl für Business Angels, Fonds als auch für Corporate Venture Capitalists (CVCs).
Doch auch garantiertes Wachstum von Start-ups gibt es nicht – und das stellt besonders CVCs vor eine große Herausforderung. Deren Budget kommt in der Regel von der jeweiligen Muttergesellschaft – dem Corporate. Damit stehen hinter den Investitionen auch Organisationsstrukturen, die in der Start-up-Welt unüblich sind. Nur wenige CVCs sammeln Geld von unabhängigen LPs (Limited Partners = Investoren) ein, wie zum Beispiel Family & Friends, Business Angels oder sogar institutionellen Investoren.
Deshalb müssen sich CVCs mit mehreren kritischen Fragen beschäftigen: Was passiert, wenn sich eine möglicherweise millionenschwere Investition als Totalausfall herausstellt? Wie lange darf es dauern, bis sich Investitionen in Start-ups auszahlen? Und was passiert mit dem CVC und dem Investmentbudget, wenn die Muttergesellschaft in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage ist?
Denn kommt es zum Äußersten, dann neigen die Entscheider in Muttergesellschaften in ihrer Panik dazu, den CVC genauso zu behandeln, wie andere Geschäftsbereiche im Kernunternehmen: Investitionen werden gestoppt und Budgets für die folgenden Jahre drastisch gekürzt.
Dabei ist das genau der falsche Ansatz. Statt Rettung in der Not wird nachhaltiger Investmenterfolg so eher behindert.
Denn wer in Start-ups investiert, muss sich bewusst sein: Diese Investitionen haben einen deutlich längeren Lebenszyklus und eine andere Lernkurve als traditionelle Mittelstandsinvestitionen. Normalerweise laufen Budgetierungen in Corporates einmal im Jahr. Start-up Investitionen bringen in der Regel allerdings erst nach 6 bis 10 Jahren finanzielle Returns. Genau dieser Aspekt muss bei der Budgetierung von CVCs berücksichtigt werden. Es ist also eine neue Denkweise nötig, die sich in der Branche zum Trend entwickelt hat: Das Ringfencing.
CVCs bekommen dadurch ein eigenständiges Budget aus der Kernorganisation zur Verfügung gestellt. Verwaltet wird es in einer separaten und oftmals rechtlich getrennten Organisationsstruktur. So kann Unabhängigkeit für die Investments geschaffen und Handlungs- und Planungsfähigkeit sichergestellt werden. Ganz egal, wie es gerade um die Kernorganisation steht und mit welchen Problemen der CVC oder die Kernorganisation zu kämpfen hat.
LANGJÄHRIGES SÄEN FÜR EINE SPÄTE ERNTE: WIE START-UP-INVESTMENTS NICHT KURZFRISTIGEN SPARMASSNAHMEN ZUM OPFER FALLEN.
Corporates brauchen bei der Budgetierung der CVCs also ein neues Mindset und ein langfristiges Commitment. Nur so können zu jeder Zeit Investments sichergestellt werden und damit ein diversifiziertes Portfolio und Folgeinvestitionen für weiteres Wachstum in schon bestehenden Beteiligungen.
Oft ist es nur eine Frage der Zeit, bis das nötige Durchhaltevermögen in der Praxis auf die Probe gestellt wird. In den ersten vier Jahren haben CVCs in der Regel einen konstanten Cash- Outflow. Hinzu kommen mögliche, schmerzhafte Situationen. Etwa, wenn Rückschläge wie Insolvenzen oder “Downrounds” verkraftet werden müssen.
Das passiert beispielsweise dann, wenn sich das Geschäft im Mutterkonzern nicht so entwickelt wie gedacht und das Geld knapp wird. Das Budget würde dann eigentlich dringend im eigenen Unternehmen gebraucht werden. Investiert werden muss aber trotzdem weiter in Start-ups.
Außerdem müssen auch Rückschläge innerhalb der CVC-Einheiten verkraftet werden. Etwa bei Totalausfällen im Start-up-Portfolio. Solche Insolvenzen stellen oft einen Wendepunkt dar. Investitionen müssen dadurch teils komplett abgeschrieben werden. Nicht selten wird deshalb sogar die Zukunft des gesamten CVCs in Frage gestellt.
Genau das sind die Momente, wenn das Management sich ins Bewusstsein rufen muss: Die Investition ist langfristig und wird sich erst später realisieren. Besonders, weil in der Start-up Branche Misserfolge deutlich schneller sichtbar werden als Erfolge.
80 Prozent der Start-ups gehen in den ersten drei Jahren nach Gründung insolvent1. Lukrative Exits dagegen, beispielsweise über Börsengänge, passieren im Durchschnitt erst sechs Jahre nach dem ersten VC-Funding2.
START-UP-INVESTMENTS UNTERLIEGEN GÄNZLICH ANDEREN BUDGETIERUNGSMECHANISMEN.
Um die Start-ups und die gesamte CVC-Einheit vor den jährlichen Budgetierungszyklen in Corporates zu schützen, kann ein "Cash Schutzwall" helfen. So wird das für CVC-Investitionen reservierte Kapital langfristig abgesichert. Er schützt die CVC-Einheit vor kurzfristigen Reaktionen auf interne und externe Schwankungen und gewährleistet so Handlungsfähigkeit, auch in schwierigen Situationen.
Damit muss sich allerdings schon bei der Gründung einer CVC-Einheit beschäftigt werden. Essenziell ist die Frage nach dem Budget. Es muss definiert werden, wie viel Geld auch langfristig investiert werden soll und kann. Das bedeutet im Umkehrschluss: Es wird definiert, wie viel Geld langfristig potenziell für das Kerngeschäft des Corporates verzichtbar ist. Auch dann, wenn die wirtschaftliche Lage schwierig wird und Investitionen in Start-ups finanziell schmerzen.
Außerdem brauchen das Unternehmen und die Entscheidungsträger ein klares Verständnis dafür, in was sie mit einem CVC investieren. Es geht um die Asset-Klasse „Start-up“.
Investments in Start-ups sind modern und bringen extrem hohe Renditechancen mit sich. Gleichzeitig muss aber auch der Preis dafür gesehen werden: Ein ebenso hohes Ausfallrisiko, das Commitment, über mehrere Jahre zu investieren und die Bereitschaft, oft Millionenbeträge dafür zur Verfügung zu stellen. Entscheidend ist daher die transparente Kommunikation gegenüber den Entscheidern im Corporate und das Management von Erwartungen, um unangenehmen Überraschungen vorzubeugen.
FAZIT.
Die Gründung einer CVC-Einheit ist ein Langfristprojekt. Wer schnell Geld verdienen will, wird scheitern. Stattdessen ist ein strategischer Ansatz gefordert. Der Weg zum Erfolg ist herausfordernd. Benötigt werden Geduld, Durchhaltevermögen, eine klare Planung und transparente Kommunikation. Nur wenn eine solide Organisationsstruktur geschaffen wird, welche innerhalb des CVCs auch finanzielle Planungssicherheit garantiert, können die gesetzten Ziele erreicht und ein nachhaltiger Mehrwert für das Unternehmen geschaffen werden.
AUSBLICK.
Wie gelingt die Jagd nach dem nächsten Unicorn? Was können CVCs dazu beitragen, dass ihre Investments die Chance bekommen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen? Und wie können dadurch nicht nur die Start-ups selbst, sondern auch die Corporates wachsen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der nächste Artikel in dieser Serie.
ÜBER MRC.
Mücke Roth & Company ist eine inhabergeführte Unternehmensberatung im Herzen Münchens mit ca. 50 festangestellten Professionals und über 70 selbstständigen Branchenexperten. Seit 2003 schaffen wir Wachstum für unsere Kunden, indem wir bei Strategieentwicklung und Umsetzung "hands-on" begleiten. In unseren Beratungsteams vereinen wir langjährige operative Praxiserfahrungen, Branchen Know-how und methodische Beratungsexpertise. Darüber hinaus sind wir als seit 2015 als Start-up-Investor tätig und begleiten unsere Beteiligungs-Unternehmen langfristig als Investor, Inputgeber und Challenger.
ÜBER DIE CVC-TRENDREPORT METHODIK.
Der CVC-Trendreport 2023 bietet Einblicke in das deutsche Corporate Venture Capital (CVC) Ökosystem. Er stützt sich auf 25 Interviews durchgeführt von Mücke Roth & Company mit Corporate Venture Capital-Einheiten, Konzernen, Mittelständlern, Start-ups und Venture-Capital-Firmen. Die Ergebnisse der Interviews wurden in sechs Trend-Insights konsolidiert. Diese bieten wertvolle Erkenntnisse für die CVC-Branche sowie für ambitionierte Unternehmen, die sich mit diesem Thema befassen möchten.
Quellen:
1 Gründerpilot, https://www.gruenderpilot.com/wie-viele-startups-scheitern/
2 Statista, „Median time from initial venture capital funding to IPO exit in the United States from 2000 to 2021”