CVC Report Trend 6: Reputation als Schlüssel für CVC-Einheiten
März 2024
Fee Gunkel
REPUTATION ALS SCHLÜSSEL.
Warum der Aufbau eines VC-ähnlichen Ansehens die Basis für den Erfolg oder Misserfolg der CVC-Einheiten bildet
Das Naturgesetz „survival of the fittest“ findet auch in der Start-up Welt Anklang: Jeder ROI-getriebene Investor möchte in die„fittesten“ Start-ups investieren. Das heißt er möchte sich vor allem an Start-ups mit Einhorn-Potenzial beteiligen, die die größten Erfolgsaussichten versprechen. Bei einer großen Anzahl an potenziellen Investoren führt dies dazu, dass sich die„Crème de la crème“ der Start-ups ihre Investoren aussuchen kann. Ein Konkurrenzkampf der Investoren um einen Platz auf dem Cap-Table entsteht, bei dem nur die „fittesten“ Investoren eine Chance haben.
Die Praxis zeigt, dass Corporate Venture Capital (CVC)-Einheiten bei diesem Konkurrenzkampf oft durch ihren allgemeinen Ruf gehindert werden. Dies heißt im Umkehrschluss: Der Aufbau einer guten Reputation ist für CVCs überlebenswichtig.
DER NEGATIVE RUF EILT VORAUS
Corporate Venture Capitalists genießen im Allgemeinen nicht den besten Ruf im Start-up Umfeld. Die häufigsten Vorurteile, denen sie gegenüberstehen, sind Trägheit, Unprofessionalität und Bestrebung nach Mehrheitsbeteiligungen oder Exklusivitäten. Hier überwiegen folgende Ansichten:
- Trägheit: Kernorganisationen, die hinter den CVC-Einheiten stehen, seien zu langsam, um mit der Geschwindigkeit der Start-ups mithalten zu können. Beispielsweise werden CVC-Einheiten durch ihre Abhängigkeit von Gremiumsbeschluss-Zyklen in ihren Investitionsentscheidungen aufgehalten. Agilität, Wettbewerbsfähigkeit und Liquidität der Start-ups seien gefährdet
- Unprofessionalität: Da hinter einer CVC-Einheit ein Unternehmen und kein klassischer Investor steht, seien Regeln und Mechanismen der Investment-Welt einem CVC unbekannt. Es koste das Start-up daher Zeit und Mühe, einen CVC zu „erziehen“ und „anzulernen“. CVCs seien daher sehr arbeitsintensiv (z.B. durch langwierige Due Diligence Prozesse) und stünden zum Teil neuen Investments im Weg (z.B. durch Verwendung komplexer Vertragsklauseln)
- Mehrheitsbeteiligungs- und Exklusivitätsbestrebungen: Mit der Absicht, strategischen Mehrwert für das Kerngeschäft zu realisieren, wollen sich Unternehmen Start-up Know-How sichern und streben Mehrheitsbeteiligungen und Exklusivitätsrechte an. Damit seien Entscheidungsfreiheit und Skalierbarkeit der Start-ups gehemmt
Daraus resultiert ein negatives Image von Corporate Investoren, das einen Signal-Effekt mit sich bringt: In der Start-up Szene besteht teilweise die Ansicht, dass Start-ups, die Kapital von einem CVC-Investor annehmen, dies nur tun, weil sie keinen anderen Investor finden. Ein CVC-Investment wird in dem Fall als Signal dafür gewertet, dass das Start-up nicht sonderlich erfolgsversprechend sein kann. Ansonsten würde es die Nachteile eines Corporate Investors wohl kaum in Kauf nehmen, so das Klischee. Auch Mitinvestoren wie klassische VCs oder kleinere Business Angels zeigen sich oft verhalten, wenn es um die Aufnahme von CVCs auf dem Cap-Table geht. Sie befürchten eine Behinderung des Wachstums „ihres“ Start-ups und damit einhergehende Renditeeinbußen für sich selbst.
Haben CVCs mit diesen Vorurteilen überhaupt eine Chance am Markt? Eine Frage, die sich viele neu gegründete CVC-Einheiten und Mittelständler, die Start-up Investitionen anstreben, stellen.
VC-ÄHNLICHE REPUTATION ALS BASIS
Um einen relevanten Dealflow zu erreichen und als Investor akzeptiert und geschätzt zu werden, gilt es für CVCs vor allem, den genannten Vorurteilen zu widersprechen. Nicht ohne Grund verfolgen erfolgreiche CVCs das oberste Ziel, ihre Reputation als ernstzunehmender Start-up Investor zu pflegen und weiter auszubauen. Erfolgreiche CVCs haben es geschafft, sich eine VC-ähnliche Reputation aufzubauen: Sie haben bewiesen, dass sie weder träge, unprofessionell noch an Mehrheitsbeteiligungen interessiert sind. Stattdessen zeigen sie, dass sie schnell und professionell handeln, Minderheitsbeteiligungen anstreben und vor allem durch ihren ROI-Fokus an einer erfolgreichen Skalierung des Start-ups interessiert sind.
Um dies zu realisieren, ist das Schaffen bestimmter Voraussetzungen notwendig (vgl. Artikel 2-5). Beispielweise erlaubt eine passende Governance-Struktur der CVC-Einheit das Treffen eigenständiger ad-hoc Entscheidungen und damit Agilität und Schnelligkeit ihres Handelns. Ein „Ringfencing“ des Investment-Budgets ermöglicht zusätzlich das Tätigen unabhängiger, schneller Erst- & Folgeinvestments. Das Einstellen „fähiger“ Investment-Professionals ist dabei die Grundvoraussetzung, um als CVC-Einheit die gleiche Professionalität wie ein klassischer VC aufzuweisen.
Dies zeigt: Nur mit entsprechender Basis haben CVC-Einheiten die Chance, auf Augenhöhe mit anderen Investoren um die besten Start-ups zu konkurrieren. Nur dann besitzen sie das Rückgrat, nach vorgebrachten Argumenten auch die entsprechenden Taten folgen zu lassen – oder direkt durch ihre Taten zu sprechen. Nur wenn sie aktiv beweisen, dass sie einer VC-ähnlichen Reputation würdig sind, werden sie diese aufbauen und halten können.
DER NAME ALS TÜRÖFFNER
Sollten CVCs daher ihre Corporate-Identität verbergen und sich bewusst nicht den Namen der Kernorganisation geben? Ja und Nein. Auf der einen Seite kann es vorteilhaft sein, dem allgemein negativen Ruf von CVCs aus dem Weg zu gehen, in dem man diese Assoziation gar nicht erst entstehen lässt. Die Namensgebung der CVC-Einheit spielt hierbei eine entscheidende Rolle: Übernimmt die CVC-Einheit den Namen der Kernorganisation, wird auf dem Investment-Markt direkt ersichtlich, dass es sich um einen Corporate Investor handelt. Wenn sie sich jedoch anders benennt und als unabhängiger Investor wahrgenommen wird, muss sie sich in Gesprächen nicht erst gegen negative Vorurteile behaupten, sondern kann unmittelbar eine eigene, VC-ähnliche Reputation aufbauen. Dies kann bspw. hilfreich sein, wenn die Kernorganisation mit ihrem Produkt eher unbekannt ist und sehr familiär, traditionell und mittelständisch agiert, denn in diesem Fall wird das Risiko von Trägheit und Unprofessionalität als besonders hoch erachtet.
Auf der anderen Seite kann die Assoziation zur Kernorganisation und damit die Wahrnehmung als Corporate Investor durchaus Vorteile mit sich bringen, vor allem wenn es sich bei der Kernorganisation um ein großes und bekanntes Unternehmen handelt, idealerweise um den Marktführer in seiner Nische. Hat ein Start-up einen CVC auf dem Cap-Table, der den Namen einer bekannten Marke trägt, signalisiert dies das Vertrauen in den Erfolg. Der Name der Marke ist wie eine Art „Gütesiegel“ für das Start-up: Es zeigt dem Markt, dass einer der besten Player der Branche an das Start-up glaubt. So wird bspw. die Technologie des Start-ups von anderen Investoren nicht mehr hinterfragt, sondern als erfolgsversprechend akzeptiert. Neben dem Gütesiegel-Effekt kann die Verbindung zur Kernorganisation aber auch weitere Vorteile für das Start-up bringen: Findet ein aktiver Austausch statt, kann die Kernorganisation maßgeblich zur Skalierung des Start-ups beitragen. So kann sie ihm bspw. den Zugang zu operativen Synergien und Assets ermöglichen. Letztendlich macht genau diese inhaltliche und operative Expertise im Business den Hauptvorteil eines CVCs gegenüber eines klassischen VCs aus. Für das Start-up wird der CVC somit zu einem interessanten Investor.
Für die CVC-Einheit ist die Namensgebung damit ein nicht zu unterschätzender Faktor, um an relevanten Deals am Markt teilzunehmen – je nach individuellem Kontext entweder mit oder ohne namentlichen Bezug zur Kernorganisation.
FAZIT
In der Theorie können CVCs den Start-ups Mehrwerte für Wachstum und Skalierung bringen, zu denen ein klassischer VC nicht fähig ist. Doch in der Praxis erhalten sie oft keine Gelegenheit hierzu. Bedingt durch den negativen Ruf, der ihnen vorauseilt, werden sie von Start-ups und Mitinvestoren oftmals von vornherein als potenzieller Investor ausgeschlossen. Das Resultat: CVCs haben keinen Zugang zu guten Deals, können relevante Investments nicht tätigen und somit ihre Ziele nicht erfüllen. Die Reputation der CVC-Einheit hat damit einen maßgeblichen Einfluss auf ihren Erfolg.
Die Namensgebung kann eine entscheidende Rolle spielen, um Einstiegshürden zu nehmen: Je nach Ausgangslage der CVC-Einheit kann die Wahrnehmung als Corporate Investor oder gegenteilig als unabhängiger VC hilfreich sein, um sich im Markt zu positionieren. Doch der Name allein macht noch keinen Erfolg. Jedem Wort müssen Taten folgen. So müssen Prozesse und Strukturen so geschaffen werden, dass sie von Beginn an jedem Vorurteil gegenüber CVCs entgegenwirken. Die Reputation muss mindestens so gut sein wie die eines VCs – nur dann kann sie über zusätzlichen Mehrwert noch besser werden. Dabei ist sowohl CVC-seitige Education in das Management und die Kernorganisation als auch proaktive Kommunikation und Erwartungsmanagement gegenüber den Start-ups notwendig. Oftmals braucht es Jahre, um sich als CVC-Einheit in der Start-up Welt als ernstzunehmender, fähiger Investor zu beweisen. Im Gegenzug dauert es Sekunden, eine Reputation zu zerstören. Es liegt an den Start-ups, CVCs als Investor eine Chance zu geben – sowie an den CVCs und ihrer Kernorganisation, die Erwartungen und Anforderungen der Start-up Investment Welt zu erfüllen. Jeder einzelne CVC kann dazu beitragen, den Ruf der Gesamtheit zu verbessern. Doch dafür muss jeder Einzelne die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Das Potenzial ist da – die richtige Basis ist entscheidend, damit es gehoben werden kann.
ÜBER MRC.
Mücke Roth & Company ist eine inhabergeführte Unternehmensberatung im Herzen Münchens mit ca. 50 festangestellten Professionals und über 70 selbstständigen Branchenexperten. Seit 2003 schaffen wir Wachstum für unsere Kunden, indem wir bei Strategieentwicklung und Umsetzung "hands-on" begleiten. In unseren Beratungsteams vereinen wir langjährige operative Praxiserfahrungen, Branchen Know-how und methodische Beratungsexpertise. Darüber hinaus sind wir als seit 2015 als Start-up-Investor tätig und begleiten unsere Beteiligungs-Unternehmen langfristig als Investor, Inputgeber und Challenger.
ÜBER DIE CVC-TRENDREPORT METHODIK.
Der CVC-Trendreport 2023 bietet Einblicke in das deutsche Corporate Venture Capital (CVC) Ökosystem. Er stützt sich auf 25 Interviews durchgeführt von Mücke Roth & Company mit Corporate Venture Capital-Einheiten, Konzernen, Mittelständlern, Start-ups und Venture-Capital-Firmen. Die Ergebnisse der Interviews wurden in sechs Trend-Insights konsolidiert. Diese bieten wertvolle Erkenntnisse für die CVC-Branche sowie für ambitionierte Unternehmen, die sich mit diesem Thema befassen möchten.